Es ist kein schöner Anlass, aber ich bin sehr dankbar, das ich trotz Urlaubssperre in 2 1/2 Wochen nach Hamburg fahren darf und dort auch zwei Wochen an der Seite des Gatten bleiben kann. Ich werde einen Teil meiner Arbeit dann im „home office“ machen, ein paar der Tage sind schlicht Urlaub. Aber so kann ich da sein, wenn Martin operiert wird und auch noch, wenn er entlassen wird. Dann kann ich, wie nach Silvester auch, zumindest alles soweit vorbereiten, das er mit seinen vielen Klammern im Bein leidlich klar kommt. Da nach der letzten OP ja auch alles soweit gut verlaufen ist, die Wunden gut verheilt sind und er schon wieder arbeitsmäßig unterwegs ist, hoffe ich einfach mal, das es nach der zweiten OP genau so gut läuft.
Ich wäre hier eh nicht zu gebrauchen, wenn Martin unter´m Messer liegt und so kann ich auch ein paar Projekte mal in Ruhe abseits des turbulenten Alltagsgeschehen im Büro abarbeiten.
Es freut mich also sehr, das mein Arbeitgeber mir diese Zeit gewährt.
Was mich immer mehr umtreibt, ist die politische Situation in diesem Land. Inzwischen hat es den ersten Toten gegeben und auch wenn man noch nicht viel weiß, wie der junge Flüchtling aus Eritrea in Dresden um’s Leben gekommen ist, das er ermordet worden ist, steht inzwischen außer Frage und ich mag kaum sagen, was mir da alles für Gedanken kommen. In Hamburg ist ein Politiker von den Grünen krankenhausreif geschlagen worden, nachdem er von einer Party gegen Rechts gekommen ist.
Diese Pegida Demonstrationen sind nicht nur unerträglich, sie schüren einen Hass, in dem immer mehr Gewalt an der Tagesordnung ist. Da werden Pressevertreter bedroht und von den Kommentaren unter Zeitungs- und Facebookmeldungen zu dem toten Flüchtling wird mir einfach nur speiübel.Es gibt schönere Photos von mir, aber das ist ja eher nebensächlich. Mit diesem Bild habe ich an einer Aktion von evangelisch.de teilgenommen.
Ich gebe zu, das sich in mir auch ein Gefühl von Ohnmacht breit macht… ich gehe zwar auf jede Anti-Pegida Demo, ich trage einen Button ich unterschreibe online Petitionenoder auch hier bei campact, aber viel mehr kann ich im Moment einfach kaum tun. In meinem beruflichen Umfeld habe ich es zum Glück nie mit Rassismus zu tun, im Gegenteil, aber mich irgendwo dauerhaft vor Ort zu engagieren ist in meiner Situation einfach unmöglich, zumal die Arbeitstage jetzt auch extrem lang werden. Es macht mich wütend, manchmal auch ohnmächtig, traurig und hilflos. Und es greift mich an, es beschäftigt mich und das manchmal mehr, als mir selber gut tut. Ich bin ja nun nicht gerade unerfahren, gehe seit 30 Jahren auf die Straße gegen den Nato Doppelbeschluß, gegen Atomkraft und Umweltzerstörung und für gesunde Nahrung. Ich kann die Demos nicht zählen, auf denen ich war. Kleine und große (bis zu 400.000, die wir damals im Hunsrück gegen den Nato-Doppelbeschluß waren), aber ich hab mich selten so ohnmächtig gefühlt. Ich habe keine Angst vor islamistischem Terror, ich habe Angst vor all den „besorgten Bürgern“, die meinen das Abendland zu retten und die anscheinend bald vor nichts mehr halt machen.
Und wer jetzt verlangt, das Muslime sich vom Terror distanzieren, der kann sich ja mal überlegen, wie das so wäre, wenn er/sie sich jetzt von jedem feigen Anschlag auf Asylantenheime, auf Flüchtlinge, Linke oder was auch immer distanzieren müßte. Meint irgend jemand, sich von der NSU distanzieren zu müssen? Vermutlich nicht.
Manchmal denke ich auch, ich kann es nicht mehr hören, nicht mehr lesen, wenn zwei Drittel meiner Facebook Nachrichten von Pegida handeln (was schlicht an meinen Abonnenments von Netz gegen Nazis und anderen engagierten Seiten gegen Rechts wie Afd Watch u.a. .liegt), aber es geht eben nicht, wegzugucken, wegzuhören. Das geht uns alle an und wer hier schweigt, macht mit. Den Button hat meine Mutter damals nach Solingen und Rostock Lichtenhagen, nach Mölln und Hoyerswerda machen lassen und er ist leider aktueller denn je, etwas aktualisiert durch Martin, aber nur visuell, nicht als Button hergestellt. Meine Mutter hat die damals auf eigene Kosten herstellen lassen, als wir alle die Anschläge nicht mehr ertragen haben, wir was tun mußten und sei es nur laut und deutlich Stellung zu beziehen. Und das ist heute auch nötig, nötiger denn je, vermutlich.